Regelmäßig berichten wir über die Entwicklung der Asylantragszahlen in Deutschland. In dieser Artikelserie wollen wir auf die konkrete Differenzierung der verschiedenen „Schutzformen“ eingehen. Wir zeigen auch auf, was passiert, wenn ein Asylantrag abgelehnt wird.
Alles, was im täglichen Sprachgebrauch unter Asyl oder Flucht fällt, ist bei genauerer Betrachtung vielschichtiger und daher auch von großer Relevanz.
Von 107.557 bearbeiteten Asylanträgen wurden nur 591 als asylberechtigt anerkannt.
Sie lesen richtig: 591 Asylberechtigte von 107.557 bearbeiteten Asylanträgen, eine Quote von 5,5 Promille.
Dass da etwas nicht stimmen kann, ist offensichtlich. Schauen wir uns das Thema genauer an.
Asyl, Flüchtling, Subsidiärer Schutz, Abschiebungsverbot, Formelle Entscheidung
Vereinfacht gesagt hat eine Person die Möglichkeit, vier Stufen durchzuprobieren, um einen Schutzstatus in Deutschland zu erhalten. Wenn keine der vier Stufen greift, gibt es noch eine Art Joker: das Abschiebungsverbot bzw. die Duldung. Und wäre das nicht bereits genug, gibt es noch den Superjoker: den Klageweg. Erst wenn das alles nicht greift oder gescheitert ist, besteht in der Theorie eine Ausreisepflicht. In ganz seltenen Fällen wird abgeschoben.
Sehen wir uns zunächst einen Auszug der „Asylgeschäftsstatistik“ des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) an. Hier werden die Asylanträge nach Herkunftsländern aufgeschlüsselt, aber auch nach der Art der Entscheidung. Wichtig hierbei ist, dass die Zahl der bearbeiteten Asylanträge sich aus den „Erstanträgen“ sowie den „Folgeanträgen“ zusammensetzt.
Wir sehen in der Grafik, dass im Zeitraum vom 1.1.2024 bis 30.4.2024 über insgesamt 107.557 Asylanträge entschieden wurde – Erst- und Folgeanträge zusammen.
Asyl gemäß Artikel 16a Grundgesetz
Unter den 107.557 Personen waren 591 gemäß Artikel 16a unseres Grundgesetzes asylberechtigt. Artikel 16a des deutschen Grundgesetzes garantiert das Asylrecht für politisch Verfolgte. Dabei ist zu beachten, dass Personen, die aus sicheren Drittstaaten einreisen, keinen Anspruch auf Asyl haben. Diese Regelung dient dazu, die Asylanträge auf Menschen zu beschränken, die tatsächlich vor politischer Verfolgung fliehen und nicht über sichere Staaten einreisen können.
Wer bei politisch Verfolgten etwa an Edward Snowden denkt, der die weltweiten Überwachungsaktivitäten der US-Geheimdienste öffentlich machte, oder an Julian Assange, der Kriegsverbrechen der USA auf der Plattform Wikileaks veröffentlichte, der liegt leider falsch. Beide würden in Deutschland kein Asyl erhalten – und auch nicht in anderen sog. „westlichen Ländern“.
Anerkennung als Flüchtling gem. § 3 I AsylG
In besagtem Zeitraum wurden 13.165 Personen (12,2%) der Status als Flüchtling gemäß § 3 I AsylG zugesprochen. Die Anerkennung als Flüchtling basiert auf der Genfer Flüchtlingskonvention und unterliegt weniger Einschränkungen als das Asylrecht nach dem Grundgesetz.
Die Einreise durch sichere Drittstaaten schließt den Flüchtlingsstatus nicht von vornherein aus, und Verfolgung kann auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, wenn der Herkunftsstaat keinen Schutz bietet.
Die Flüchtlingsanerkennung wird verweigert, wenn im Herkunftsland sichere Regionen existieren, in denen die Person leben kann.
Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre, die in eine unbefristete umgewandelt werden kann, sowie einen Reiseausweis. Sie dürfen Integrationskurse besuchen, sich in Deutschland frei bewegen, visumfrei im Schengenraum reisen und unter erleichterten Bedingungen Familiennachzug beantragen. Das heißt, wenn die Familienzusammenführung innerhalb von drei Monaten nach der Asylanerkennung beantragt wird, muss der Lebensunterhalt der Familie nicht gesichert sein, um Familienangehörige nach Deutschland zu holen. (Quelle: BPB)
Wichtig ist hier ebenfalls, dass das Gesetz ausdrücklich vorsieht, dass Personen, die außerhalb der BRD schwere Straftaten begangen haben, keinen Flüchtlingsschutz erhalten – doch dazu später mehr.
Subsidiärer Schutz gem. § 4 I AsylG
Den größten Anteil an den Entscheidungen über Asylanträge nimmt der sog. „Subsidiäre Schutz“ ein, welcher 29.522 Personen (über 27%) zugeteilt wurde.
Diese Schutzform greift dann, wenn weder Asyl- noch Flüchtlingsschutz greift, der Antragsteller jedoch glaubhaft machen kann, dass im Heimatland ernsthafter Schaden droht, beispielsweise Folter, Verhängung der Todesstrafe, unmenschliche Behandlung oder Bestrafung usw.
Subsidiären Schutz auch für Wehrdienstverweigerer und Straftäter
Wer in seinem Heimatland zum Dienst an der Waffe verpflichtet ist und sich weigert, hat mitunter mit Konsequenzen bis hin zu Inhaftierung zu rechnen – das war zu Zeiten der Wehrpflicht in Deutschland nicht anders. Im Kontext des Asylsystems erhalten Wehrdienstverweigerer einen Schutzstatus in Deutschland (Quelle), sofern diese beispielsweise unmenschliche Behandlung im Gefängnis zu befürchten hätten.
Grundsätzlich würden allerdings alle Personen, die wegen einer nicht schweren Straftat zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden sind und dort einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt wären, hierzulande einen Anspruch auf subsidiären Schutz haben. Inwiefern die Behörden jeden Einzelfall auf Glaubwürdigkeit hin prüfen können, steht auf einem anderen Blatt Papier.
Um subsidiären Schutz zu erhalten, muss prinzipiell aber auch gar keine individuelle Verfolgung vorliegen. Herrscht im Heimatland beispielsweise ein Bürgerkrieg, dann besteht eine Gefahr für Leib und Leben, womit die Voraussetzung für subsidiären Schutz vorliegt.
Unterschiede zwischen Asyl, Flüchtling und subsidiären Schutz
Auf den ersten Blick fragt man sich, weshalb überhaupt solche Unterschiede im Schutzstatus gemacht werden.
Im Wesentlichen bestehen die Unterschiede lediglich in der Länge der Gewährung des Schutzes sowie der Möglichkeit und den Voraussetzungen für den Familiennachzug:
Asyl & Flüchtling
Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre, danach Möglichkeit einer Niederlassungserlaubnis, sofern die deutsche Sprache beherrscht wird (Niveau C1, bzw. bei Abschluss eines Integrationskurses reicht B1) und der Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist. Dazu reicht bereits ein befristeter Arbeitsvertrag aus.
Anspruch auf privilegierten Familiennachzug. Das bedeutet, dass kein Nachweis über ausreichend Wohnraum sowie finanzielle Mittel notwendig ist.
Subsidiärer Schutz
Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, welche mehrfach um zwei Jahre verlängert werden kann. Nach fünf Jahren kann die Niederlassungserlaubnis beantragt werden, unter denselben Voraussetzungen wie bei Asyl/Flüchtling.
Manche Länder handhaben es jedoch anders, da die Aufenthaltserlaubnis von der jeweiligen Ausländerbehörde ausgestellt wird, und diese entscheidet unabhängig von der Entscheidung des BAMF. In Berlin werden beispielsweise auch beim subsidiären Schutz direkt drei Jahre Aufenthaltserlaubnis gewährt.
Der Familiennachzug ist auf 1000 Personen pro Monat limitiert, und es muss ausreichend Wohnraum vorliegen, sowie finanzielle Mittel vorhanden sein.
Arbeitserlaubnis
In allen drei Schutzstufen erhält der Antragsteller eine Arbeitserlaubnis. Sie dürfen, sofern sie wollen, jederzeit eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, sich in die Gesellschaft einbringen und ihren Teil beitragen.
Entgegen einem „normalen“ Arbeitslosen, der mit einer engmaschigen Betreuung durch die örtliche Arbeitsagentur zu rechnen hat und dem zugemutet wird, eine Arbeitsstelle weit unter seiner Qualifikation anzunehmen, für diese umzuziehen oder Pendelwege von über einer Stunde pro Strecke hinzunehmen, halten sich die Maßnahmen bei Asylbewerbern eher in Grenzen, wenn man bedenkt, dass nahezu zwei Drittel aller Bürgergeldempfänger einen Migrationshintergrund haben – die meisten davon haben keinen deutschen Pass.
Ferner ist die Aufnahme einer Arbeit nötig, um die Voraussetzungen für die dauerhafte Niederlassungserlaubnis zu erfüllen – wie groß der Anreiz dazu ist, wenn man durch simples Nichtstun auch einfach weiterhin im Bürgergeld bleiben kann, ist eine Frage, die sich jeder selbst beantworten kann.
Zwischenfazit - Welche Rolle spielt der Schutzstatus?
Wir haben in diesem Teil die drei Schutzformen des deutschen Asylsystems betrachtet. Das in unserer Verfassung verankerte Recht auf Asyl stellt dabei das mit großem Abstand geringste Volumen an Schutzsuchenden.
Ein Achtel aller Antragsteller erhalten einen Schutzstatus als Flüchtling gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention.
Den größten Anteil macht der sog. Subsidiäre Schutz aus, den 27% der Antragsteller erhalten haben. Nach diesen Kriterien würde so ziemlich die halbe Weltbevölkerung einen subsidiären Schutz in Deutschland erhalten können.
Für die Betroffenen ist letzterer Status der „Unattraktivste“ – muss dieser immerhin nach einem Jahr „mühselig“ durch bereitwillige „Flüchtlingshelfer“ verlängert werden.
Hinsichtlich der Leistungen gibt es hingegen keine wesentlichen Unterschiede: Eine warme und moderne Unterkunft zunächst in einer Sammelunterkunft, anschließend in einer eigenen Wohnung, in einigen Kommunen auch Neubauwohnungen. Dazu Bargeld, welches geringfügig unter dem Niveau von Bürgergeld liegt, die Vorzüge des deutschen Gesundheitssystems – selbstredend ohne Zuzahlungen – und, als Sahnehäubchen, die Befreiung von den Zwangsbeiträgen zum besten und neutralsten Rundfunk aller Zeiten.
Im nächsten Teil geht es um den Themenbereich Ablehnung von Asylanträgen.